Mittwoch, 8. November 2017

Langes Stück/Der zehnte Staatsanwalt/Entdeckung neuer Kafka-Stücke/Zu Elsa/Der Prozess

Es gibt so viele Kafka-Interpretationen und -Analysen
Weil sie kaum zu widerlegen sind, publizierte Interpretationen.
"Der Prozess" kann durchaus auch als vollendet betrachtet werden, bis auf den Abschluss des "Achten Kapitels"; das Werk besteht aus abgeschlossenen Episoden, es gibt ein Ende; die Fragmente sollte man weglassen. Die einzelnen Kapitel sind spannend und in sich abgeschlossen: Kafka blickte einfach nicht, dass das Romanschreiben seine Stärke war.

"Achtes Kapitel"
Fragmentende von mir: Und K., der durch das Zuhören und Lenis Verhalten ermüdet war, bekräftigte die Mandatsentziehung für den Advokaten Huld, verabschiedete sich und ging. Leni brachte ihn zur Tür, sie drückte noch einmal kurz K.'s Hand, dann hatte er auch schon den Hausblock verlassen; wie gewöhnlich regnete es, K. dachte an Elsa, aber auch an das Gericht, dem er sich nun verstärkt zuwenden wollte.

Alternative
K. verließ die Wohnung, ohne noch ein Wort zu verlieren.

Nochmals 2000 (Juli)
"'Dichter über ihre Dichtungen', 'Franz Kafka'; 2 minus, als Bewertung, da Kafkas Sprache teilweise schwer verständlich ist, außerdem mir des Öfteren der Zusammenhang, Bezug zu manchen aufgeführten Werken fehlt.
Es handelt sich sicherlich um ein Kafka-Studiumbuch für Kenner; angeblich enthält es alle Aussagen Kafkas zu den eigenen Schriften, was ich bezweifele. Die Aussagen Kafkas sind von den Herausgebern E. Heller und J. Beug aus dem Zusammenhang der Erzählungen (?), Tagebücher, Briefe Kafkas und Erinnerungen Max Brods und Gustav Janouchs gerissen worden, entnommen.
Bestimmte Passagen mehrmals gelesen (für Kafka braucht man schon ein gewisses Händchen, geistiges Fingerspitzengefühl)."

2007
Aus "Dichter über ihre Dichtungen" kannte ich im August 2000 einige persönliche Meinungen Kafkas, daher auch mein damaliger, guter Blick, mit Überreligiosität hatte der gute Franz nichts am Hut, zumindest nicht in seinen schriftlichen Ausführungen, obwohl er Jude war, auch die Entwicklungen des Judentums verfolgte. Und es ist ja auch kein Wunder, dass Kafka ein berühmter Autor wurde, Brod nicht, obwohl Maxe ein guter Geschäftsmann war, der aus dem Toten bestimmt seinen Reibach machte.
Und Kafka hatte schon recht, dass man beim Schreiben abirren kann; den rechten Weg nicht findet, das auszusagen, was man intendierte; dennoch kann man Gutes schreiben (wie ich es manchmal mache, obwohl ich heute nur umher irre), das blickte Kafka nicht.

"Die Aeroplane" und so
Was das Nachwort von Lettau anbelangt, da stimme ich meiner früheren Auffassung zu, obwohl ne 8 als Note wohl gerechter wäre (auf einer Sechserwertskala, die mit der besten Note ganz klein anfängt, ner 1). Das Buch ist pure Geschäftemacherei, stimmt, 2000 blickte ich aber nicht, dass Erzählungen nicht unbedingt in einem Zusammenhang gesehen werden müssen, sondern eigentlich für sich wirken sollten, was sie übrigens auch taten. Das Auseinanderreißen des Werkes von Kafka hing damit zusammen, dass alle drei Romane posthum veröffentlicht wurden ("Der Prozess", "Amerika" oder "Der Verschollene"; "Das Schloss"), Brod Kafkas Tagebücher, Notizen etc. nach brauchbaren Erzählungen durchforstete (auch Kafka hatte zu Lebzeiten aus seinen Romanen, aus größeren Zusammenhängen, geliebte Stücke publiziert, z.B. die "Türhüter"-Story "Vor dem Gesetz", aus dem "Prozess"); danach wurden die Tagebücher veröffentlicht, die die herausgezogenen KG's nicht mehr enthielten, usw.: Bei der Erstausgabe des "Prozesses" z.B. erschienen nur die vollständigen Kapitel; das Werk fand sein Publikum, Brod nutzte das aus, in der zweiten Ausgabe kamen die Fragmente hinzu, außerdem wurden alle von Kafka durchgestrichenen Textalternativen bzw. -Zusätze aufgelöst; und in der Dritten Ausgabe kam noch die Fragwürdigkeit der Kapiteleinteilung ins Spiel (Kafka benannte die Kapitel, nummerierte sie aber nicht), Brod schreibt unter anderem, dass das "Fünfte Kapitel" ("Der Prügler") evtl. als "Zweites Kapitel" gedacht sein konnte (er meinte sich dessen aus dem Gedächtnis möglicherweise zu erinnern), wofür von der Logik her eigentlich nichts spricht, sogar einiges dagegen, da K. sich erst im 2. Kapitel über seine "Festnehmer" beschwert, wofür sie vom "Prügler" geprügelt werden. Josef K.'s Beschwerde erfolgt bei der ersten Untersuchung, die an einem Sonntag nach der "Verhaftung" stattfand; das Gespräch mit Frau Montag, der Freundin von Frau Bürstner, fand ebenfalls am Sonntag statt, nachdem K. paar Tage hintereinander vergeblich versuchte, Frau B. für eine Aussprache zu gewinnen, nach dem sich kennen lernen am Verhaftungstage.
Brod hat den Autoren Kafka nicht geblickt, er war aber ein guter Geschäftsmann. Und ich war 2000 ein unfähiger Zitierer, unheimlich schlampig, z.B. stellte ich das "Es ist ein Mandat"-Zitat um, ohne dies zu kennzeichnen, es lautet: "Lebend stirbt man, sterbend lebt man"; ich schrieb: "Sterbend lebt man, lebend stirbt man"; ist dadurch der Sinn verkehrt worden? Wohl nicht, aber Kafkas Intention wurde von mir aus purem Leichtsinn verändert (anstatt z.B. die indirekte Rede zu wählen, die ich beherrschte).
Bei der "Skizze einer Selbstbiographie" (a.a.O., S. 112 ff.) schnallte ich nicht, ob sie autobiographisch war oder nicht (ja!), außerdem bricht sie in einem Gleichnis ab, ist also unvollendet, das verunsicherte mich 2000, ich wollte immer ein Ende haben.

"Fragment des 'Unterstaatsanwalts'" (a.a.O., S. 125 ff.)
Der Unterstaatsanwalt stellt sich vor, was wäre, wenn er Oberstaatsanwalt wäre, um den Bezirksrichter durch eine neue Ordnung zu zerschmettern; der Fall des dann ehemaligen Unterstaatsanwalts würde zur Aussprache stehen, ihm Gerechtigkeit widerfahren werden. Und dann schildert Kafka den Fall, der sich vor 15 Jahren ereignete, der zum Beförderungsstopp führte (der Unterstaatsanwalt stand kurz vor der Beförderung zum "10. Staatsanwalt", Witz!). Es ging um eine Majestätsbeleidigung, die der Unterstaatsanwalt nebensächlich machte (indem er eine öffentliche Verhandlung öffentlich machte?), deshalb das Diszi? Das Fragment ist unausgewogen.

"Die Aeroplane in Brescia"
Diese Geschichte ist von 1909, langweilig, deshalb war ich 2000 unsicher, ob sie von Kafka stammt, denn alle Erzählungen, Fragmente, Romane von Kafka haben eines gemein, sie sind spannend, werfen Fragen auf, sind aber nicht so plan wie die "Aeroplane", die in Max Brods Kafka-Biographie erstveröffentlicht wurde: "Franz Kafka. Eine Biographie", FfM 1966.
"Die Aeroplane in Brescia" ist eine Reisebeschreibung, die Kafka Brod schenkte, möglicherweise hat sich aber doch Brod versucht (neue Kafka-Stücke zu "entdecken").

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