Kafka
erzeugt Angst!
1920
kultivierte Kafka die Angst, anstatt zu schreiben, okay, er war sehr
krank (Lungentuberkulose), aber immerhin konnte er noch mit Milena
Jesenska "rum huren", sie zumindest "aushalten"
(finanziell unterstützen), Geld hatte er genug. Er schrieb dann 1922
auch noch Gewichtiges, z.B. "Das Schloss".
Ich
lese derzeit Kafkas "Briefe an Milena", die erweiterte
Taschenbuch-Neuausgabe von 1986, die schlecht ediert ist, besonders
was die "Anmerkungen" zu den Briefen anbelangt, im
Brieftext sind keine Anmerkungsverweise angebracht, die Seitenangaben
der Anmerkungen beziehen sich auf die Taschenbucherstausgabe der
Briefe, nicht auf die der erweiterten Neuausgabe,
Briefrandbemerkungen Kafkas im Brieftext sind "unter Angabe der
genauen Position unter dem entsprechenden Textteil abgedruckt"
(am später aufgeführten Ort, Seite 427), der genauen Position der
Erstausgabe (vermute ich, ich habe sie nicht zur Hand),
Zeilenverweise zur Erstausgabe (na klar!) sind vorhanden, aber keine
Zeilennummerierung in der Neuausgabe (wozu auch?). Die Seitenzahlen
zwischen Erst- und Neuausgabe differieren um ca. 14 Seiten, die
Zeilen entsprechen sich ebenfalls nicht. Der Lektor hat gepennt!
Eine
unangenehme ferne Verwandte
"Sonst
habe ich aber Gutes von ihr gehört[,] d.h. Verwandte haben sie
hinter ihrem Rücken beschimpft", Franz Kafka: "Briefe an
Milena", erweiterte und neu geordnete Ausgabe, herausgegeben von
Jürgen Born und Michael Müller, Frankfurt am Main, 1986; Seite 155
(23. Juli 1920, zweiter Brief).
Erinnert
mich etwas an de Sade's "Justine", an die "guten
lieben" Mörderkollegen. Und relativ lustig ist die
Kafka-Episode auch, der erste Briefwitz, vorher regierte die Angst;
ich habe heute nach Ewigkeiten auch mal wieder von Angst geträumt,
in Träumen Angst gehabt.
23.07.2000
"Ich
könnte leben und lebe nicht", Franz K; woher?
Bei
der Lektüre der rororo-Bildmonographie "Kafka" von Klaus
Wagenbach eruiert (Reinbek bei HH, 1964): Das Kafka-Zitat steht in
"Franz Kafka" ("Dichter über ihre Dichtungen"),
herausgegeben von Erich Heller und Joachim Beug, München, 1969, auf
Seite 156. Das Werk las ich 2000, vermutete das Zitat auch da, wusste
aber nicht, von wann es stammt, denn meine Bemerkung war ja, "ab
18/20 hat Kafka es nicht geblickt", er hat das Zitat aber erst
1922 an Max Brod geschrieben, am 5. Juli 1922. Heller und Beug
zitieren nach: "Briefe 1902 - 1924", Seite 384 ff.
(fortfolgende; etwas, was ich beim Rechtsstudium erfahren habe, dem
kurzen), "Copyright 1958 by Schocken Books Inc., New York City,
USA" (a.a.O., Seite [188]).
So
können Vorurteile entstehen
Ein
Zitat von mir (die erste Bemerkung von heute): "1920 kultivierte
Kafka die Angst, anstatt zu schreiben", dabei spielte seine
Angst in den Briefen zu Milena nur im Juli/August 1920 ne bedeutende
Rolle, danach war Kafka sogar lustig, schrieb gut, begann auch
literarisch zu schreiben (bereits am 26. August erwähnte er das in
einem Brief an Milena; a.a.O., Seite 243). Kafkas Briefe sind in
verschiedenen Stimmungen verfasst, schrieb er literarisch, schrieb er
gut, auch bereits kurz vorher; er hatte sich ja auch mit seinem lauen
Job auseinander zu setzen (und anderen Menschen, nicht nur mit
Milena).
Pauschalisierungen
sind generell nicht ungefährlich, da sie Teilausschnitte gleich der
Realität setzen, dabei sind sie Teilwahrheiten eines Ganzen. Ich
habe mich z.B. aufgeregt, als ich vor kurzem ein Wahlplakat einer so
genannten neoliberalen Partei sah, auf dem drauf stand, dass die
"Scheinasylanten" raus müssten, da es Mietwucher gebe,
Wohnspekulanten; dabei spekulieren mit der Miete ja wohl eher
schlechte Österreicher, als Asylanten, die ja in der Regel keine
Häuser bzw. Mietwohnungen besitzen, sonst würden sie ja Mittel und
Wege finden, hier zu bleiben, etwas möglicherweise auch woanders
reißen können. Ich riss das Plakat aber nicht runter, deren
Grundtenor "Mietwucher! Raus mit den Scheinasylanten"
lautete; ich war auch lange am überlegen, ob ich die Partei
namentlich erwähnen sollte, entschloss mich dagegen, hoffe, dass sie
sich noch weiter zersplittern und dann auflösen wird. 1998 schrieb
ich mal, dass es mich wundere, dass die Spanier sich Urlaub in Irland
leisten können, dabei gibt es über 36 Millionen Spanier, darunter
viele Reiche, und bestimmt mindestens 7 Millionen potentielle
Auslands-Urlauber (20 %), also knapp doppelt so viele wie Irland
Einwohner hat, natürlich fährt nur ein Bruchteil im Sommer in einen
Irlandurlaub, aber diese Leute machten sich bemerkbar. Und dann waren
1998 für mich Griechen als Volk schmutzig, dabei gab es schmutzige
Griechen, aber daraus kann man einfach nicht auf alle Griechen
schließen; und ich war in den 90er Jahren aus heutiger Sicht auch
ein Syphbolzen, der teilweise Käsemauken hatte, weil er sie sich zu
selten wusch. Und natürlich gibt es in Italien die Mafia (und nicht
nur da), aber deshalb wird man nicht gleich ermordet, wenn man nach
Italien fährt, oder zur Heroinspritze vergewaltigt oder oder (ne
gewisse Gefahr bietet das Nachtleben schon an).
Noch
nicht einmal 6000 Kraftfahrzeuge wurden 2006 in Österreich
gestohlen, aber knappe 5,8 Millionen Kraftfahrzeuge unterwegs,
zugelassen!
Kein
Wunder, dass es den österreichischen Versicherungen so gut geht.
Verhaltensweisen
müssen in der Regel einzeln geprüft werden.
"Kafka"
von Klaus Wagenbach, Reinbek bei HH, 1964
Seite
91 (nach: "Tagebücher 1910 - 1923", Seite 318 f., Franz
Kafka, "Gesammelte Werke", FfM, 1950 f.; 21.08.1913): "Ich
lebe in meiner Familie, unter den besten und liebevollsten
Menschen... Mit meiner Mutter habe ich in den letzten Jahren
durchschnittlich nicht zwanzig Worte täglich gesprochen, mit meinem
Vater kaum jemals mehr als Grußworte gewechselt." Genau wie
ich; und "Mutter" wäre in letzter Zeit durch Winnie zu
ersetzen.
A.a.O.,
Seite 94
Nach
"Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der
Verlobungszeit" (herausgegeben von Erich Heller und Jürgen
Born, Frankfurt am Main, 1967 [!?]; das Wagenbach-Buch soll von 1964
sein!), Seite 574: Und also "berichtete" Kafka (nach
Wagenbach) Grete Bloch (ich vermute, dass er ihr geschrieben hat,
werde das erforschen, indem ich mir die "Briefe an Felice"
ausleihe, und darüber auch berichten), dass Franz Grillparzers
Katharina Grillparzer "vollständig gleichgültig" gewesen
wäre, obwohl sie miteinander verlobt waren (das ist ein Aspekt
Casanovascher Gleichgültigkeit, die bei einem Liebhaber zutreffen
kann, aber bei einer Verlobten eigentlich nicht), Grillparzer behielt
nach Kafkas "Bericht" (oder Brief, Gespräch?) seine
Verlobte an jenem Abend noch eine Zeit lang auf seinem Schoß und
suchte sich nach einem Weilchen doch von ihr zu befreien. Wagenbach
vermutet, dass diese Episode gegen Felice Bauer gerichtet ist, ich
vermute eher, dass Kafka Grete ein Beziehungsnein verdeutlichen
wollte, dass er ihr gegenüber gefühlskalt sei (sie hatten
möglicherweise ein Techtelmechtel: Grete war Felices Freundin, bekam
nach eigener Aussage von Kafka ein Kind, das früh verstarb). Die von
Wagenbach geschilderte Episode spielte sich 18 Tage vor Kafkas
Verlobung mit Felice ab, der ersten, im Juni 1914; am 12. Juli wird
die Verlobung gelöst, was macht man während einer 42-tägigen
Verlobungszeit?
Ich
hätte geschrieben, Mann wichst.
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