Zu
lesen
Den
"Prozess" beendet...
Inhaltlich
4 (als Note), Spannung und Flüssigkeit 2 +, mit drei Nachworten von
Max Brod versehen; 328 Seiten, erschienen im S. Fischer Verlag, FfM
1965; Roman mit Anfang und Ende, ca. 10 Kapitel fehlen.
"Der
Prozess"
Kafka
hat wie eine Sucht von mir Besitz ergriffen, jetzt lese ich schon das
dritte Kafka-Buch in 4 Tagen.
Sogar
"Der Prozess" hat mich von der ersten bis zur letzten
Seite, mit Ausnahme der Seiten 81 bis 92, Ende des 3. Kapitels der 3.
Ausgabe der Gesammelten Werke, gefesselt. Im Gegensatz zu Brod würde
ich die Kapitel bzw. Fragmente wie folgt ordnen:
1).
Erstes Kapitel
2).
Viertes Kapitel
3).
Zweites Kapitel
4).
Drittes Kapitel
5).
"Zu Elsa"
6).
Fünftes Kapitel ("Der Prügler"), ein notwendiges Kapitel,
irgendwo nach Kapitel zwei anzuordnen, könnte aber auch vor dem 7.
Kapitel stehen; inhaltlich notwendig, der Ort des Geschehens ist
fraglich (Abstellkammer der Bank, ein Irrtum Kafkas?)!
7).
Sechstes Kapitel
8).
"Ein Fragment" (könnte auch Teil des Sechsten Kapitels
sein, der Abschluss)
9).
Siebentes Kapitel
10).
"Staatsanwalt" (laut Aussagen Brods zeitlich und inhaltlich
nicht einzuordnen)
11).
Achtes Kapitel
12).
"Das Haus" -der gestrichene Teil, zumindest aber seit: "Wie
einfach war die Überlistung des Gerichtes!..." könnte auch
nach dem Zehnten Kapitel ("Ende") handeln.
13).
Neuntes Kapitel
14).
"Fahrt zur Mutter"
15).
Zehntes Kapitel
Das
Fragment "Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter" ist weder
zeitlich noch inhaltlich eindeutig anzusiedeln, vermutlich aber
zwischen Kapitel Sieben und Neun (K. fühlte sich mal wieder stark).
Der
Roman beginnt mit K. als lässigem Helden, der alles nicht zu eng
sieht, bis Kapitel Sechs. Vom Sechsten bis Neunten Kapitel ist er vom
Prozess doch betroffen, teilweise stark und kämpfend, teilweise
mitgenommen, depressiv und kränklich.
Zwischen
Achtem Kapitel, "Das Haus" und dem Neunten Kapitel fehlen
einige Kapitel (zeitlich zu große Lücken).
Vor
dem Zehnten Kapitel fehlen einige, da K. sich dort völlig ergeben
hat, nicht mehr kämpft, oder die Möglichkeit der Austricksung des
Gerichts erkannte, den "Tod".
Das
Werk beginnt als Kritik an gesellschaftlichen Zuständen, an Staat,
Gerichtswesen, Verwaltung (Verselbständigung und Unüberschaubarkeit,
Bestechlichkeit u. a.); präzisiert dann die Verlorenheit des
Individuums, der Intelligenzija (Selbstbedauern, auch die Kapitel mit
den Frauen lassen darauf schließen), etc. Dann folgen religiöse
Wirrnisse: ziemlich planlose Mystifizierung des Gerichts und der
Vollzugsbeamten, logisch nicht entwirrbare, da verwirrte Darstellung
der Personen "oben und unten", ihrer Handlungen, sinnlose
Erklärung des Gleichnisses vom "Türhüter": Kafka brachte
zwar gute Gleichnisse, war aber nicht imstande, sie zu erklären,
siehe auch: "Es ist ein Mandat" (es ist an und für sich
schwachsinnig, einleuchtende Gleichnisse umständlich zu erklären).
Eine
Frage stellt Kafka speziell im Schlusskapitel: Selbstmord, ja oder
nein, Warten auf den Tod (z. B. bei schwerer Krankheit) oder Erlösung
(und dann Bestrafung?) oder (wenn meine These in Bezug auf die
Einordnung des gestrichenen Teils des "Hauses" Kafkas
Intention entsprach) Tod, und dafür Belohnung.
Gott
sei Dank ist Kafka viel-deutbar, falls Brods überreligiöse Deutung
zutreffen würde (dass er "...dem hohen religiösen Maßstab...
nicht entsprechen konnte", den er an sich stellte; Max Brod),
würde ich jede Minute mit Kafka als Verschwendung ansehen.
Aber
Kafka hat ja des Öfteren ins Tagebuch geschrieben, dass Brod es
nicht blickt.
Urängste
(Glauben und Aberglauben, Himmel und Hölle, Angst vor dem Etwas nach
dem Tode) ließ das Schlusskapitel im ersten Augenblick bei mir
entstehen, nicht nur der Abschluss, dass K. das "Messer zweimal
in seinem Herzen umgedreht wurde." "Wie ein Hund"
verreckte er.
Orwell's
"Prozess"
Ich
bin mir absolut sicher, dass George Orwell den "Prozess"
gelesen hat: "1984" ist eine komprimierte, durch
organisierte, neuere Fassung des "Prozesses". Am Anfang des
"Prozesses" schien es mir, als lese ich "1984".
Das einzige, was den Roman sinnvoll macht; neben den vielen
Deutungsversuchen eines einfachen Werkes: Ein Roman mit Anfang und
Ende, ca. 10 Kapitel fehlen.
Es
wäre nicht schlimm gewesen, kein Verlust für die Literatur, wenn
das Manuskript verbrannt worden wäre...
"1984"
ist im Ullstein Taschenbuch Verlag, FfM-Berlin-Wien 1978, erschienen.