Oftmals,
so auch hier
Max
Brod legte einen naiven, durchaus gesunden Pragmatismus an den Tag
(auch wenn er z.B. seine Kafkabiografie zusammen schusterte, im
fünften Kapitel "Die Verlobungsjahre" gibt er als
Schreibjetztzeit Hochsommer 1961 an, S. 123, im Gegensatz zu Seite
13, da 1937: "Über Franz Kafka"; möglicherweise gehört
auch das zum Pragmatismus, so viel Geld wie möglich bei geringstem
Aufwand raus zu schlagen?), wie in seinem Brief an Felice Bauer vom
22.11.1912 erkennbar ist, er schreibt ihr u.a. über Franz: "Wenn
die Eltern ihn so lieben, warum geben sie ihm nicht 30 000 Gulden...,
damit er aus dem Büro austreten kann und irgendwo an der Riviera, in
einem billigen Örtchen, die Werke schafft, die Gott durch sein
Gehirn in die Welt zu setzen verlangt?" A.a.O., S. 126.
Und
wie immer, versagte Gott auch da. Nein, die Eltern verlangten sogar
noch Franzens Knechte in der Fabrik, die den an Selbstmord denken
ließ (der schrieb Brod einen Abschiedsbrief, der zu einem
Willkommensbrief wurde), so dass Brod deshalb an Franzens Mutter
einen 8-seitigen Brief schrieb (siehe S. 126), die den danach
wenigstens von dieser Fron befreite.
Genauso
Felicens Eltern, obwohl ich nicht genau weiß, warum sie nicht direkt
nach der Matura studierte, wenn sie ihre Tochter selbstlos lieben
würden, dann hätten sie ihr das Studium ohne Job ermöglicht, so
sich viel Geld, Zeit und ihr die Lungen-Krankheiten erspart.
Und
hoffentlich macht sie es demnächst, und wenn mit dem Erbe ihres
Opas...
Auch
Kafkas Eltern hätten Franz so wohl noch von der Lungenkrankheit
erretten können, obwohl fraglich ist, dass dafür Felice B. die
richtige Ansprechpartnerin war; und weil die Felice-(meine
Feli!)-Franz-Parallele so offensichtlich ist, ergänze ich den eben
offen gelassenen Passus des Briefs: "wie einer Tochter",
oder analog: Warum geben sie ihr nicht die 30 000 Euro wie einem
Sohn?
Schreibt
so ein Selbstmörder?
"...Und
jetzt noch einen Kuss und gute Nacht, damit ich morgen ein Fabrikchef
bin, wie es verlangt wird." Seite 85.
Könnten
auch Worte von Felice sein, ihr Wienerisch ähnelt ja durchaus der
Sprache Kafkas, obwohl sie Kärntnerisch sagt, eher, jedenfalls
schön.
Allerdings
kann ich schon verstehen, dass die Selbstmordreflektionen Kafkas in
dem Brief, gerade bei einem introvertierten Menschen, Brod schockiert
haben, so dass er sofort an dessen Mutter schrieb, die sich auf die
Suche nach einem Kompagnon machte; Brod hat die Kernaussage, dass es
kein Abschiedsbrief ist, nicht verstanden, dass Kafka das Schreiben
wichtig war, denn der Tod wäre eine ewige Unterbrechung des
Schreibens gewesen, nicht nur eine vorläufige, und zu einem Ende kam
"Der Verschollene" dann ja trotzdem nicht.
Und
dann addierte Kafka noch am Morgen, den ersten Teil des Briefes
schrieb er um halb 1 in der Nacht (lt. Brod am 08.10.1912, Br 107;
ich vermute den 07.): "Und doch, das darf ich jetzt am Morgen
auch nicht verschweigen, ich hasse sie alle der Reihe nach und denke,
ich werde in diesen 14 Tagen kaum die Grußworte für sie fertig
bringen. Aber Hass - und das richtet sich wieder gegen mich - gehört
doch mehr außerhalb des Fensters, als ruhig schlafend im Bett. Ich
bin weit weniger sicher als in der Nacht." (Br 109) Nicht zu
springen...
Und
so hatte Brod doch recht, nur hatte er diesen Abschnitt in der
Kafka-Biografie nicht angeführt.
Max
Brod: Über Franz Kafka. Frankfurt am Main, 1966.
Br:
Franz Kafka, Gesammelte Werke herausgegeben von Max Brod: "Briefe
1902 - 1924", 2. Auflage, Frankfurt am Main 1966.
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