Montag, 31. Juli 2017

"Briefe an Ottla und die Familie"/Großartiger Vater/Nikolo/Treuer Arpad

Brief 37
"Gestern hat sich übrigens wie man mir erzählt hat der Vater sehr meiner angenommen. Der Rudl Hermann... war Mittag bei uns sich freundschaftlich verabschieden, da er nach Bielitz fährt... Es gibt kaum einen Nah- und Nächstverwandten, den der Vater bei dieser Gelegenheit nicht nieder geschimpft hätte. Der eine ist ein Defraudant, vor dem andern muss man ausspucken (Pfui!), usw. Da sagte der Rudl, aus diesem Schimpfen mache er sich nichts, der Vater sage ja auch seinem eigenen Sohn: Halunke. Da soll der Vater großartig geworden sein. Auf ihn los, beide Arme hoch...", Ottla, S. 33 (Brief vom "19 IV [1917]", S. 32 ff.): Franz Kafka: "Briefe an Ottla und die Familie", herausgegeben von Hartmut Binder und Klaus Wagenbach, Frankfurt am Main 1974.
Ein Defraudant ist ein Betrüger, Steuer-, Zollbetrüger. Kafka war da 33, sein Vater 64, 65 (geboren 1852).

Ottla, S. 12 ("Brief" 4)
Wie die Herausgeber auf die Idee kamen, dass die Postkarte aus Pilsen mit Poststempel vom 20.12.1909 an Ottla gerichtet ist, ist mir nicht ganz klar: "Sehr geehrtes Fräulein", so redete Kafka seine Schwester nie an, auch wenn mich beim ersten Lesen auch die Unterschrift etwas verwirrte: "Ihr treuer Arpad", solche Scherze machte er aber öfters: "Ich bin hier auf Weihnachtsferien, aber meine Erinnerungen an die mit Ihnen in den Kränzchen verlebten Stunden sind meine einzige Freude. Haben Sie mein Nikologeschenk bekommen? Ihre Puppe liegt an meinem Herzen." Niemand, auch 1909 nicht, redet so mit seiner Sis.
Nikolo gleich Nikolaus.
Und Franz duzt Ottla in allen Briefen, Postkarten, das kommt dazu.

Anmerkungen oder nicht
Ottla 19 (Brief 17): "Hol bei Taussig 'Das Buch des Jahres 1913'" (24.09.1913); waren das die Eltern von Max Brods Ehefrau: Elsa, geb. Taussig.

10.07.1914
"... Ich schreibe anders als ich rede, ich rede anders als ich denke, ich denke anders als ich denken soll und so geht es weiter bis ins tiefste Dunkel. Franz" (S. 21, Brief 20).

"Brief" 26 aus Wien, eine Postkarte
"Ich überlege gerade und rechne: Soll ich ihr etwas mitbringen? F." Seite 27: Wem?
Denn so stellt man keine Frage an die Adressatin des Briefes, obwohl dieser Jemand wohl nicht mehr zu eruieren sein wird, Felice?
Das F. steht wohl für Franz.
Insbesondere dieser Briefband würde eine Neuedition echt gut verkraften, zu viele Fragen bleiben offen bzw. werden nicht gestellt.
Poststempel vom 27.04.1915.

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