Montag, 31. Juli 2017

"In der Strafkolonie"/Peinlichkeiten/Kastration/Gedachte Paradoxien

Die Frau lockt
Lockte Kafka als sexuelles Lustobjekt, um ihn vom Schreiben abzulenken; es handelte sich nicht um "geradezu Kastrationsängste des Dichters", da hat Klaus Mladek einigermaßen was missverstanden in seiner "Strafkolonie"-Kritik: "'Ein eigentümlicher Apparat'", in dem Text + Kritik-Sonderband VII/94 "Franz Kafka", herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold (HLA), München 1994, Seite 120, wenn dann um die Kastration des Schreibens, aber Mladek bemerkte die Damen im Hintergrund in der Erzählung, "die falschen Einflüsterer" (ebenda), ich würde sagen Einflüsterinnen (vgl. "Ein Landarzt und andere Drucke zu Lebzeiten", nach der Kritischen Ausgabe, hg. von Hans-Gerd Koch, Frankfurt/Main 1994, Seite 182; respektive "In der Strafkolonie", in: "Sämtliche Erzählungen", herausgegeben von Paul Raabe, Frankfurt/Main 1990, da Seite 114, Mladek bezieht sich darauf).

Er hat es wohl nur halb missverstanden!
"In der Strafkolonie" hat Mladek aber sorgfältig gelesen, das muss man schon sagen, auch wenn die Frage ist, ob das konkret so was bringt, auch mir, dass der Todesmaschinenbediener den letzten Todgeweihten vor einer Stunde dazu verurteilte (Mladek schreibt "Morgen", HLA, Seite 122), und sich danach beklagt, dass die Frauen, wieder die Weibers, den zu Tode Verurteilten doch Nahrung zuführen würden, in den letzten 24 Stunden, obwohl er das untersagt hätte, und so kotzt der Letzte die Maschine voll, da der Knebel schon von Hunderten von Hingerichteten in den Mund genommen wurde; der Letzte beging die schlimme Tat, dass er seinem Herrn, einem Hauptmann, nicht alle Stunde salutierte (als der Hauptmann ihm dafür eins mit der Peitsche überzog, da bedrohte der den mit Auffressen; "Ungehorsam und Beleidigung des Vorgesetzten", S. 161). "Absurdes Theater!" Würde ich sagen, und dann war der Täter auch noch "mager" (S. 174), wie Kafka, das übersah Mladek.
Die Taschentücher hätte der Verurteilte von den Damen bekommen, wann denn, um Gottes Willen, alles in einer Stunde (S. 189)?
Die Dichte der Geschichte, der Ereignisse erzeugen (beinahe) zeitliche Paradoxien und ich glaube auch nicht, dass Kafka das verstanden, beabsichtigt hatte, aber die Ausführungen sind so in der Schwebe, dass es nicht zwangsläufig nicht so sein könnte, dass alles in der kurzen Zeit geschah: Anklage, Urteil, Taschentücher-Beigaben.
Kein Essen für diesen Verurteilten, aber es ging allgemein darum (S. 176), auch wenn von "dem Mann" die Rede ist, aber sind nicht alle Verurteilten Männer gewesen?
Der Offizier vollzieht an sich das Urteil, wozu Josef K. im "Prozess" noch nicht bereit ist: "'Du bist frei', sagte der Offizier... Zum ersten Mal bekam das Gesicht des Verurteilten wirkliches Leben. War es Wahrheit? War es nur eine Laune des Offiziers, die vorüber gehen konnte? Hatte der fremde Reisende ihm Gnade erwirkt? Was war es?" (S. 187)
Eine klare Parallele zum Ende des Prozesses, der gleichzeitig entstand, Josef K.: "Seine Blicke fielen auf das letzte Stockwerk des an den Steinbruch angrenzenden Hauses. Wie ein Licht aufzuckt, so fuhren die Fensterflügel eines Fensters dort auseinander, ein Mensch schwach und dünn in der Ferne und Höhe beugte sich mit einem Ruck weit vor und streckte die Arme noch weiter aus. Wer war es? Ein Freund? Ein guter Mensch? Einer der teilnahm? Einer der helfen wollte? War es ein einzelner? Waren es alle? War noch Hilfe?" Franz Kafka, "Der Proceß" in der Fassung der Handschrift, herausgegeben von H.-G. Koch, FfM 1994, Seite 241.

Absurdes Theater gabs damals noch nicht
Kafka hätte "Komödie!" geschrien, wie Georg Bendemann im "Urteil".
Mladek versteht wenig, denn bei seiner Zeitkonfusion übersieht er, dass die Damen den Schuldigen vor der Abführung mit Zuckersachen voll stopften, nicht irgendwann in den letzten 24 Stunden, wie der meint (HLA 122).
Die Zitate von Mladek entsprechen nicht dem Text von Kafka, das muss ganz klar gesagt werden. Ich habe auf Seiten Kafkas weder einen logischen Fehler noch eine Zeitverwirrung festgestellt, es ist nun einmal eine rasante Foltergeschichte; "peinlich", aber war der 1. Weltkrieg nicht viel peinlicher oder der 2., später, der Religionskrieg, der jetzt stattfindet: Islamismus versus USA.
Eigentlich ist schade, dass sich der Herausgeber nicht die Mühe gab, die Zitate Mladeks nachzuprüfen, denn sowas sollte ja schon bei einer Universitäts-Klausur, -Hausarbeit der Fall sein.

Das Rauschen im Telefonhörer
Das konnte zu Kafkas Zeiten noch mehr klar sein, als heutzutage, und trotzdem geschieht es im Roman Zweck gerichtet, auch als Ironie gegenüber der Technik möglich. Und auch dass Kafka so lange bei seinen Eltern lebte, so ungewöhnlich ist das nicht, erst bei Heirat zieht man aus, manchmal noch nicht einmal dann, ist z.B. auch heutzutage noch in Polen, Russland oftmals der Fall; da muss man nicht den akademischen Mittelstand der Heutzeit dagegen setzen.

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