Sonntag, 7. Januar 2018

Kurzgeschichte 22 aus "Bergers Greatest" (Original)/Wie ein Hund/KAFKA

Kafka wühlt die eigenen Urängste in einem, in sich selbst, auf!
Ich glaube vieles von Kafka zu verstehen, u.a. dass es bei einigen Stories nichts zu verstehen gibt, sie einfach unvollendet sind. Gute oder schlechte, auch mittelmäßige Ideen, Spontaneinfälle, wurden nicht zu Ende geführt (das Interesse erlahmte, Unzufriedenheit mit der Geschichte, dem Inhalt stellten sich ein), weil sie einfach einer Augenblicks-Idee entsprangen und dann nicht in letzter Konsequenz durchgeführt wurden oder werden konnten: Müdigkeit, der regelmäßige Arbeitstrott im Büro, erlahmendes Interesse, Selbstzweifel, der Faden konnte nicht mehr richtig aufgenommen werden, riss, Hypochondrie, tatsächliche Krankheiten; zum Ende (des Lebens) hin auch Nachlassen der geistigen Potenz, Konzentrationsmängel, Lethargie. Ein weiterer Grund für die Mystifikation Kafkas: kommerzielle Ausschlachtung durch M. Brod und diverse Verlage, u.a. Reißen aus dem Zusammenhang, Glorifizierung (jedes, aber auch jedes Wort wurde im Original übernommen, im Laufe der Neuausgaben und Sichtungen des Nachlasses ohne zu große, zeitliche Sorgfalt); sprachliche Deutungsversuche: Ich bin der Meinung, dass Kafka einfach die Grammatik nicht 100%ig beherrschte, Indiz, z.B. bei schnellem Schreiben, vor allem abends und in Zeitnot, macht man einiges Nebensächliche verkehrt, die Redigierung fehlt.
Trotz allem ist Kafka ein großer Autor.

Mandatur
"Es ist ein Mandat" ist ein Gleichnis, das zu Beginn der Erzählung erklärt wird, ein schlechtes Gleichnis übrigens, mit einem schwachsinnigen Titel (von wem stammt er?) und einer logischen Aussage, die aber erst erkannt und formuliert werden musste: "Sterbend lebt man, lebend stirbt man."
Ich selbst schrieb nichts, da ich mich schlecht fühlte, erst Kafka machte mich fit...

Ein Tag später
Kafka hat wie eine Sucht von mir Besitz ergriffen, jetzt lese ich schon das dritte Buch in 4 Tagen von ihm. Sogar "Der Prozess" hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, Ausnahme die Seiten 81 bis 92, Ende des 3. Kapitels der 3. Ausgabe der Gesammelten Werke.
Im Gegensatz zu Brod würde ich die Kapitel bzw. Fragmente wie folgt ordnen:
1). "Erstes Kapitel"
2). "Viertes Kapitel"
3). "Zweites Kapitel"
4). "Drittes Kapitel"
5). "Zu Elsa"
6). "Fünftes Kapitel" ("Der Prügler"), ein notwendiges Kapitel, irgendwo nach Kapitel zwei anzuordnen, könnte aber auch bis zum 7. Kapitel stehen, inhaltlich, der Ort des Geschehens ist fraglich.
7). "Sechstes Kapitel"
8). "Ein Fragment" (könnte auch Teil des sechsten Kapitels sein, der Abschluss).
9). "Siebentes Kapitel"
10). "Staatsanwalt", laut Aussagen Brods zeitlich und inhaltlich nicht einzuordnen.
11). "Achtes Kapitel"
12). "Das Haus", der gestrichene Teil, zumindest aber seit "Wie einfach war die Überlistung des Gerichtes!..." könnte auch nach dem zehnten Kapitel ("Ende") handeln.
13). "Neuntes Kapitel"
14). "Fahrt zur Mutter"
15). "Zehntes Kapitel"
Das Fragment "Kampf mit dem Direktor-Stellvertreter" ist weder zeitlich noch inhaltlich eindeutig einzuordnen, vermutlich aber zwischen Kapitel sieben und neun (K. fühlte sich mal wieder stark).
Vor dem zehnten Kapitel fehlen einige, da K. dort völlig sich ergeben hat, nicht mehr kämpft.
Der Roman beginnt mit K. als lässigem Helden, der alles nicht zu eng sieht, bis Kapitel sechs. Vom sechsten bis neunten Kapitel ist er vom Prozess doch betroffen, teilweise stark kämpfend, teilweise mitgenommen, depressiv und auch kränklich. Zwischen achtem Kapitel, dem "Haus", und dem neuntem Kapitel fehlen einige (zeitlich zu große Lücken).
Der Roman beginnt als Kritik an gesellschaftlichen Zuständen, dem Gerichtswesen, der Verwaltung (Verselbstständigung und Unüberschaubarkeit), Staat, Bestechlichkeit u.a., dann Verlorenheit des Individuums, der Intelligentzija (Selbstbedauern Kafkas, auch die Kapitel mit den Frauen lassen darauf schließen), etc. Dann folgen religiöse Wirrnisse (ziemlich planlose Mystifizierung des "Gerichts" und der Vollzugsbeamten), sinnlose Erklärung des Gleichnisses vom "Türhüter": Kafka bringt zwar gute Gleichnisse, ist aber nicht im Stande, sie zu erklären, siehe auch "Es ist ein Mandat" (es ist an und für sich schwachsinnig, einleuchtende Gleichnisse umständlich zu erklären), logisch nicht entwirrbare, da verwirrte Darstellung von Handlungen der Personen "oben und unten", da Franz seinem "...hohen religiösen Maßstab... nicht entsprechen konnte", Max Brod, den er hatte.
Ich bin mir absolut sicher, dass George Orwell den "Prozess" gelesen hat: "1984" ist eine komprimierte, durchorganisierte, neuere Fassung des "Prozesses" (am Anfang des Prozesses schien es mir, als lese ich "1984"), das einzige, was den Roman sinnvoll macht, neben den vielen Deutungsversuchen eines einfachen Werkes... Es wäre nicht schlimm gewesen, kein Verlust für die Literatur, wenn das Manuskript verbrannt worden wäre!
Urängste (Glauben und Aberglauben, Himmel und Hölle, Angst vor dem Etwas nach dem Tode) ließ das Buch im ersten Augenblick bei mir entstehen, nicht nur der Schlussabsatz, dass K. das Messer zweimal in seinem Herzen umgedreht wurde. "Wie ein Hund!" verreckte er.
Eine Frage stellt Kafka speziell im Schlusskapitel: Selbstmord, ja oder nein, Warten auf den Tod (z.B. bei schwerer Krankheit) oder Selbst-Erlösung und dann Bestrafung (durch Gott)? Gottseidank ist Kafka vieldeutbar, falls Brods überreligiöse Deutung zutreffen würde, würde ich jede Minute mit Kafka als Verschwendung ansehen, aber Kafka hat ja des Öfteren in sein Tagebuch geschrieben, dass Brod es nicht blickt.
Ziemlich chaotischer Tag, d.h. Unvorhergesehenes geschah, z.B. Advokatos Besuch, und Vorhersehbares geschah anders, z.B. das Lesen von Kafka (mein Schreiben ist chaotisch!)?? Das große Gewitter war auch überraschend, die Aufstehzeit ungewöhnlich, 11 Uhr 50, spät. Am besten, ich hör auf: Das "Mandat" habe ich nicht geblickt, mit anderen, falschen Augen gesehen, Advokato nicht erklären können. "Das Schloss" begonnen...
Siehe auch "Dichter über ihre Dichtungen", Franz Kafka, herausgegeben von Erich Heller und Joachim Beug, E. Heimeran/S. Fischer Verlag, München 1969; "Es ist ein Mandat", in "Die Aeroplane in Brescia und andere Texte", mit einem Nachwort von Reinhard Lettau, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1977; "Der Prozess", S. Fischer Verlag, FfM 1965, "Das Schloss", S. Fischer Verlag, FfM, alles von Franz Kafka; und "1984" von George Orwell, Ullstein Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1978.

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