Donnerstag, 25. Januar 2018

Erkenntnisse einer Mutter/Überhaupt total egal/Irgend ein Tag

Kafkas Mutter
"Heute sprach ich beim Frühstück mit der Mutter zufällig über Kinder und Heiraten, nur ein paar Worte, aber ich bemerkte dabei zum ersten Mal deutlich, wie unwahr und kindlich die Vorstellung ist, die sich meine Mutter von mir macht. Sie hält mich für einen gesunden jungen Mann, der ein wenig an der Einbildung leidet, krank zu sein. Diese Einbildung wird mit der Zeit von selbst schwinden, eine Heirat allerdings und Kinderzeugung würden sie am gründlichsten beseitigen. Dann würde auch das Interesse an der Literatur auf jenes Maß zurück gehn, das vielleicht den Gebildeten nötig ist. Das Interesse an meinem Beruf oder an der Fabrik oder an dem, was mir gerade in die Hände kommt, wird in selbstverständlicher ungestörter Größe einsetzen. Zu dauernder Verzweiflung an meiner Zukunft ist daher nicht der geringste, mit keiner Ahnung zu berührende Grund; zu zeitweiliger Verzweiflung, die aber auch nicht tief geht, ist dann Veranlassung, wenn ich wieder einmal den Magen verdorben zu haben glaube oder wenn ich, weil ich zu viel schreibe, nicht schlafen kann. Lösungsmöglichkeiten gibt es tausende. Die wahrscheinlichste ist, dass ich mich plötzlich in ein Mädchen verliebe und von ihm nicht mehr werde ablassen wollen. Dann werde ich sehn, wie gut man es mit mir meint und wie man mich nicht hindern wird. Wenn ich aber Junggeselle werde wie der Onkel in Madrid, wird es auch kein Unglück sein, weil ich in meiner Gescheitheit mich schon einzurichten wissen werde... Eine Stunde dann auf dem Kanapee über Aus-dem-Fenster-Springen nachgedacht...: Gegen das Fenster laufen und durch die zersplitterten Hölzer und Scheiben, schwach nach Anwendung aller Kraft, die Fensterbrüstung überschreiten." Franz Kafka: "Tagebücher 1910 - 1923", herausgegeben von Max Brod, Frankfurt am Main 1973, Seiten 125, 166 und 134 (19. Dezember 1911; 8. März 1912; 25. Dezember 1911). Aber friedfertig.

Irgendein Tag
"Geschlafen, aufgewacht, geschlafen, aufgewacht, elendes Leben." Wie wahr! Zitat aus: Franz Kafka, "Tagebücher 1910 - 1923", herausgegeben von Max Brod, Frankfurt am Main 1973, Fischer Taschenbuch 1346; Seite 12 (19. Juli 1910).
Und dann wieder eingeschlafen, aufgewacht, mitten in der Nacht.

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