Überhaupt
total egal
"Heute
sprach ich beim Frühstück mit der Mutter zufällig über Kinder und
Heiraten, nur ein paar Worte, aber ich bemerkte dabei zum ersten Mal
deutlich, wie unwahr und kindlich die Vorstellung ist, die sich meine
Mutter von mir macht. Sie hält mich für einen gesunden jungen Mann,
der ein wenig an der Einbildung leidet, krank zu sein.
Diese
Einbildung wird mit der Zeit von selbst schwinden, eine Heirat
allerdings und Kinderzeugung würden sie am gründlichsten
beseitigen. Dann würde auch das Interesse an der Literatur auf jenes
Maß zurück gehn, das vielleicht den Gebildeten nötig ist. Das
Interesse an meinem Beruf oder an der Fabrik oder an dem, was mir
gerade in die Hände kommt, wird in selbstverständlicher ungestörter
Größe einsetzen. Zu dauernder Verzweiflung an meiner Zukunft ist
daher nicht der geringste, mit keiner Ahnung zu berührende Grund; zu
zeitweiliger Verzweiflung, die aber auch nicht tief geht, ist dann
Veranlassung, wenn ich wieder einmal den Magen verdorben zu haben
glaube oder wenn ich, weil ich zu viel schreibe, nicht schlafen kann.
Lösungsmöglichkeiten gibt es tausende. Die wahrscheinlichste ist,
dass ich mich plötzlich in ein Mädchen verliebe und von ihm nicht
mehr werde ablassen wollen. Dann werde ich sehn, wie gut man es mit
mir meint und wie man mich nicht hindern wird. Wenn ich aber
Junggeselle werde wie der Onkel in Madrid, wird es auch kein Unglück
sein, weil ich in meiner Gescheitheit mich schon einzurichten wissen
werde..." Ob man etwas sagt oder nicht, es ist ja alles richtig
und egal und gut! "...Eine Stunde dann auf dem Kanapee über
Aus-dem-Fenster-Springen nachgedacht"... (wegen Ärger mit der
Fabrik): "...Gegen das Fenster laufen und durch die
zersplitterten Hölzer und Scheiben, schwach nach Anwendung aller
Kraft, die Fensterbrüstung überschreiten."
Franz
Kafka: "Tagebücher 1910-1923", herausgegeben von Max
Brod, a.a.O., Seiten 125, 166 und 134 (19. Dezember 1911; 08. März
1912; 25. Dezember 1911).
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